Zum „Tier des Jahres 2003“ hat die SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHES WILD den Wolf gewählt. Damit bestätigt die Organisation zur Erhaltung der freilebenden Tierwelt ihren schon früher gefassten Beschluss, sich auch für die Tierarten einzusetzen, die auf natürlichem Wege wieder nach Deutschland zurückkehren. Zu diesen Arten zählen der schon in mehreren Bundesländern lebende Luchs, der mit Einzelexemplaren in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auftauchende Elch und der Wolf. Wildbiologen halten es für möglich, dass in absehbarer Zukunft auch der Bär von Österreich nach Bayern zuwandern könnte. Die drei großen Raubtierarten waren im 19. Jahrhundert in Deutschland ausgerottet worden.
Der Wolf ist nach EU-Recht unter Schutz gestellt. Das größte Vorkommen hat Russland, wo jährlich bis zu 40000 Isegrims erlegt werden. Im übrigen Europa gibt es mit 3000 Tieren die meisten in Rumänien, Polen hat rund fünfhundert der scheuen Räuber in hundert Rudeln. In Skandinavien wurde der letzte Grauwolf 1965 geschossen, doch gegenwärtig sind dort wieder hundert Exemplare zu Hause. Auch Frankreich hat einen Wolfsbestand, in der Schweiz tauchen immer wieder Einzelexemplare auf. In Italien leben die meisten Grauwölfe in den Abruzzen, sie sind aber auch in Vorstädten Roms zu sehen und streifen durch Kornfelder nahe spanischen Städten.
Im Herbst 2000 hatte sich Canis lupus mit einem kleinen Rudel von sechs Tieren in der brandenburgischen Muskauer Heide angesiedelt. Er lebt dort auf dem 14 500 Hektar großen Truppenübungsplatz Oberlausitz weitgehend ungestört und kann sich in ein zusammen-hängendes Waldgebiet von 10 000 ha zurückziehen. Der gelegentliche Gefechtslärm stört ihn nicht. Schon ein Jahr später wurden Jungtiere geboren, und auch 2002 gab es Nachwuchs. Die Folge ist, dass der Rückkehrer Wolf sich weiter nach Westen ausbreitet. Seine Pfotenabdrücke wurden bereits im Raum Lohsa in einem ehemaligen Braunkohlegebiet gefunden. Um überleben zu können, braucht der Wolf nach Ansicht der Wildbiologen Inseln wie Truppenübungsplätze, Nationalparke und die großen Reviere der Landesforste.
Auf die Zukunft des Wolfes in Deutschland werden die Jäger den größten Einfluss haben. Und da die Schafhaltung hierzulande kein besonderes Gewicht hat, bleibt vorrangig das Schalenwild die Beute Isegrims: Rehe, Schwarzwild, Damwild und vor allem Rotwild. Der Wolf ist jedoch in der Wahl seiner Nahrung flexibel und reißt auch Dachse, Füchse und Marderhunde sowie Bisamratten, frisst ebenso kleine Säugetiere und Fische, Kriechtiere und selbst Obst und Früchte. Auf Grund von Untersuchungen in östlichen Ländern mit größerem Wolfsvorkommen ist es gesicherte Erkenntnis, dass Wölfe selektiv und bevorzugt schwache, kranke und überalterte Tiere jagen, hauptsächlich weibliches Wild.
Studien in Osteuropa zeigen, dass Wölfe ein Gebiet nicht „wildleer“ machen. Wenn sie ein Tier in einem Rotwildrudel erbeuteten, fand sich das Rudel innerhalb weniger Tage wieder in dieser Region ein. Es ergab sich weiter, dass ein sechsköpfiges Rudel Wölfe in einer Woche ein bis zwei Tiere eines Rotwildrudels erbeutete. Der Wolf greift dabei besonders in die jüngsten Altersklassen bei Rot- und Schwarzwild ein. Das heißt, dass er einen begrenzenden Einfluss auf die Wildtiere hat. Wo Schalenwild konzentriert vorhanden ist, sorgt er für eine bessere Verteilung des Wildes, was sich günstig auch auf den Wald auswirkt.
Die Existenz des kleinen Wolfsrudels in Deutschland ist von der Bevölkerung eher begrüßt als abgelehnt worden. Vor allem deswegen, weil das lange Zeit vorherrschende „Rotkäppchen“ – Syndrom vom bösen, Menschen fressenden Wolf abgebaut werden konnte. Dabei spielt auch eine Rolle, dass durch Wölfe angerichtete Schäden an Weidetieren vom Umweltministerium ersetzt werden. Auch wird versucht, durch Nachtwachen und Zäune Wolfsschäden weitgehend zu vermeiden. Sollte der Wolf sich in andere Bundesländer ausbreiten, was auch wegen des dichten Verkehrsnetzes in Deutschland wenig wahrscheinlich ist, sollte dem Beispiel Sachsens und Brandenburgs gefolgt werden.
In einer Erklärung des sächsischen Umweltministeriums heißt es, die Rückkehr des Wolfes sei „ein Zeichen für eine intakte und unberührte Natur“. Es wird darauf verwiesen, dass für Menschen keine Gefahr durch Wölfe besteht. In den letzten 50 Jahren ist kein Fall bekannt geworden, dass in Mitteleuropa ein Wolf einen Menschen getötet hätte.