Die Unke

Weltweit sterben die Amphibien. Der Mensch mit seinem Anspruch auf immer mehr Siedlungsraum und ständig weiter steigender Chemieproduktion nimmt ihnen immer mehr Lebensräume und schädigt sie. Frösche, Kröten, Unken und zahllose andere Wassertiere können sich dagegen nicht wehren. Diese unheilvolle Entwicklung war Anlass für die SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHES WILD, zum Tier des Jahres 1998 die Unke zu wählen. Damit sind beide in Mitteleuropa vorkommenden Arten gemeint: die Gelbbauch- und die Rotbauchunke. Beide Arten sind in der Roten Liste der gefährdeten Arten unter „Stark gefährdet“ verzeichnet.

Unke

In Sachsen-Anhalt ist die Gelbbauchunke schon verschwunden, die Rotbauchunke in Hamburg. In Nordrhein-Westfalen ist die gelbbauchige Unke vom Aussterben bedroht, was in Brandenburg und Berlin für die Rotbauchunke gilt. In Niedersachsen, Bremen und Thüringen gilt der höchste Grad der Bedrohung für beide Unkenarten.

Das Vorkommen der Unken im Herzen Europas ist weitgehend getrennt. Die Rotbauchunke ist in Mittel- und Osteuropa verbreitet, doch auch in Dänemark und Südschweden. Im Osten ist sie bis zum Ural zuhause, im Süden ist sie bis zum Kaukasus und der Türkei anzutreffen. In der Mitte Deutschlands überschneiden sich die Verbreitungsräume beider Arten, denn hier ist auch die Gelbbauchunke anzutreffen, die im Tiefland lebt, anders als ihre rotbauchige Verwandte, die auch „Bergunke“ heißt.

Unken gehören zur Gattung der Feuerkröten oder Scheibenzüngler – das heißt, ihre Zunge ist nicht beweglich wie bei anderen Froschlurchen, bei denen die Zoologen von einer „Schleuderzunge“ sprechen.

Bombina

Unken sind mit ihrer grau-schwarzen, manchmal auch grünlichen Oberseite unscheinbare Tiere. Sobald sie aber erschreckt werden oder ein Feind naht, zeigen sie zur Abwehr ihre Bauchseite, die in grellen Farben leuchtet. Bei der Rotbauchunke ist sie zinnoberrot und grau bis blauschwarz, bei der Gelbbauchunke zitronengelb mit grauschwarzen Flecken. Wenn es zur Abschreckung nötig ist, sondern sie Gift aus ihren Drüsen ab, manchesmal soviel, dass sie wie mit Seifenschaum überzogen wirken.

Besonders charakteristisch ist der Unkenruf. „Im Wasser sieht man sie gewöhnlich etwas vom Ufer entfernt sitzen“, heißt es bei Brehm, „den halben Kopf vorgestreckt – gegen Abend eifrig mit ihrem einfachen und bescheidenen Gesangsvortrag beschäftigt“. Im Gegensatz zur gelbbauchigen Unke hat die Rotbauchunke Schallblasen, wodurch ihr Ruf lauter ist als das leise Flöten ihrer gelben Verwandten. Doch das „unk-unk“ der Gelbbauchunke ist oft zu hören, wenn die Temperatur stimmt: „80-mal in der Minute, wenn es 20 Grad Celsius warm ist“, wird in Grzimeks Tierleben gesagt.

Die Rotbauchigen unken dagegen nur 18-mal pro Minute. Die Froschlurche, zu denen die Unken zählen, waren die ersten Wirbeltiere, die ihren Lebensraum mit Gesang erfüllten. Auch heute noch gehören Froschkonzerte zu den bekanntesten Lauten in der Natur. Wenn für uns Menschen der eine Unkenruf genau so klingt wie der andere eines Artverwandten, so ist das bei den Tieren selbst ganz anders: Die Weibchen können die arteigenen Männchen am Ruf unterscheiden. Von Zoologen des Naturhistorischen Museums in New York wurde das erste Sonogramm einer Gelbbauchunke angefertigt, das deutlich den Einfluß der Temperatur auf den Unkenruf erkennen läßt.

So melodisch der Ruf der Unke, so schlecht bewerteten ihn die Menschen früherer Zeit. Damals löste der uns heute vertraute und gern gehörte Gesang Angst und Entsetzen aus, besonders dann, wenn er im ohnehin gefürchteten unheimlichen Moor zu hören war. Dabei sind es gerade die Unken, deren Dasein von Angst und Vorsicht geprägt ist. Bei der geringsten Störung verschwinden sie unter Wasser, was Tiervater Brehm zu der Feststellung veranlasste: „Ein Hauptzug ihres Wesens ist unbegrenzte Furchtsamkeit“.

Unken sind den meisten Menschen weit weniger bekannt als ihre Vettern, Laubfrosch oder Kröte. Um so erstaunlicher ist die Reaktion, die ihre Wahl zum Tier des Jahres 1998 in der Öffentlichkeit fand. Schon in den ersten Wochen nach Bekanntgabe der Wahl gab es bei der SCHUTZGEMEINSCHAFT eine große Zahl von Anfragen und Wünschen nach näherer Information, ganz besonders von Schulen und im Naturschutz Aktiven. Dies ist Beweis dafür, wie groß das Interesse der Menschen am Schicksal auch kleiner Tiere ist und wie sehr der weltweite, regional oft dramatische Rückgang der Amphibien Besorgnis auslöst. Verengung und Zerstörung der Biotope, Wasserverschmutzung, Entwässerung und zu starke Nutzung der Laichbiotope durch Fisch- und Angelsport – all dies setzt den Wassertieren zu. Ganz besonders sind die empfindlichsten unter ihnen davon betroffen, und zu ihnen zählen vor allem die Unken. Sie und ihre Lebensräume gilt es zu erhalten, nicht zuletzt deswegen, weil Unken wichtige Indikatoren für den Zustand der Gewässer sind. Deshalb verdienen Unken und die Welt, in der sie leben, unser aller Hilfe – die SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHES WILD setzt sich gerade dafür ein und bittet deshalb um die Unterstützung möglichst vieler.

Jana Brinkmann-Werner
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